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Permakultur Projektbeispiel: Mit Regenwasser-Ernte zur neuen Familien-Oase
Ein Freizeit-Grundstück als Familienstützpunkt mitten in der Natur des Nordschwarzwalds. Mit üppiger, vielfältiger Vegetation, einer geräumigen Gartenhütte, leckerem Obst & Gemüse, verschiedenen Lebensräumen für Wildtiere, und reichlich Platz zum Spielen, Ernten, Werkeln, Beobachten und Entspannen. Davon träumen Lena und Florian, die in einem Dorf zwischen Karlsruhe und Pforzheim wohnen und ein Grundstück in Laufreichweite besitzen. In diesem Permakultur Projektbeispiel begleiten wir die beiden auf ihrem Weg dorthin.
1. Ausgangssituation
Das ca. 1.400 Quadratmeter große Grundstück liegt an einem Hang mit Süd-Ost-Ausrichtung und einem ziemlich gleichmäßigen Gefälle von 15-20%. Auf dem Grundstück befinden sich lediglich 8 alte Obstbäume und ein großer Walnussbaum. Weder Strom noch Wasser stehen auf dem Grundstück zur Verfügung. Etwa 35-50% des Grundstückes, vor allem im unteren Teil, werden durch hohe Bäume des Nachbargrundstückes ab der Mittagszeit beschattet, während der obere, östliche Teil des Grundstückes in der Sonne liegt. Der Boden wird als extrem lehmig beschrieben und diverse Pflanzversuche eines Nachbarn schlugen – anscheinend aufgrund der Bodenverhältnisse und Trockenheit – schon fehl.
1.1 Herausforderungen
Die größte Herausforderung bei diesem Projekt stellt die Wasserversorgung dar. Ziel ist es, die verfügbaren Niederschläge zu 100% auf dem Grundstück versickern zu lassen oder über die zukünftigen Dachflächen in Tanks zu speichern. Dieses Regenwasser soll einerseits zur Bewässerung der neuen Obst- und Gemüsepflanzen genutzt werden, andererseits sollen mit Hilfe zurückgehaltenen Oberflächenwassers tief wurzelnde Pflanzen und Gründüngung zur Verbesserung des Bodens beitragen.
Eine weitere Herausforderung besteht darin, die gewünschten Elemente des zukünftigen Freizeitgrundstückes so in den Hang zu integrieren, dass möglichst wenig Erdbewegung notwendig ist. Eine optimale Lage der Hütte und dem Gelände angepasste Laufwege sind wichtige Beispiele hierfür.
1.2 Standortanalyse
Bei einer ausführlichen Vor-Ort-Begehung wurden zunächst an drei verschiedenen Stellen des Grundstückes Bodenziegel mit einem Spaten zur Untersuchung entnommen. Untersucht wurden Eindringwiderstand, Zustand der Aggregate und der Oberfläche, Eindringwiderstand, Durchwurzelung und Bodenstruktur. Anschließend wurde mit Finger- und Ausrollprobe nach DIN 4220 die Bodenart bestimmt: Es handelt sich fast ausnahmslos um schluffigen bis tonigen Lehm.
Des weiteren wurden besonders sonnige, windige und schattige Bereiche identifiziert. Außerdem wurde mit Hilfe der Geodaten des Landes Baden-Württemberg ein Höhenmodell erstellt. Damit konnte wiederum Gefälle und topographische Feuchte berechnet und Abflussbahnen von Regenwasser simuliert werden.
Aus den vorliegenden Daten und Simulationen kann abgeleitet werden, dass eine Versickerung von Regenwasser vor allem bei Starkregenereignissen nur sehr eingeschränkt möglich ist. Ein seitlicher Zu- oder Abfluss des Wassers findet dabei quasi nicht statt. Vielmehr fließt Oberflächenwasser von der Nordwest-Seite von „oben“ ins Grundstück hinein und an der Südost-Seite im unteren Bereich des Grundstückes wieder hinaus. Diese Vermutung wird durch die dickere Schicht von Oberboden im unteren, flacheren Bereich des Grundstückes bestärkt, die vermutlich durch abfließendes Regenwasser dorthin geschwemmt wurde.
2. Das Design
Folgende Punkte wurden als „Must-Have“ für ein erfolgreiches Design definiert:
Daraus wurde folgendes Design abgeleitet:
2.1 Terasse mit Gartenhütte
Die Position der Terrasse mit Gartenhütte und Sitzecke wurde sehr bewußt in die nordwestliche Grundstücksecke platziert.Auf der Ostseite der Hütte ist außerdem ein kleiner Schuppen für Gartengeräte vorgesehen, auf der Westseite ist eine Außenküche geplant. Die äußersten, talabwärts gelegenen 80 Zentimeter der Terrasse sind für ein Gemüsebeet vorgesehen. Dies ist durch die vordere Stützmauer eingefasst und kann von dem unmittelbar davor verlaufenden Weg bequem als „Hochbeet“ bewirtschaftet werden. Die Bewässerung des hier angebauten Intensivgemüses erfolgt mit Hilfe einer Tropfbewässerung durch Regenwasser, welches vom Dach der Hütte in einen Wassertank auf der Nordwestseite geleitet wird.
Die gesamte Terrasse wird damit zum Haupt-Aufenthaltsbereich des Grundstücks, zur Zone 1 der Permakultur Zonierung.
2.2 Wassermanagement
Die Wasserversorgung wird ausschließlich durch die Verwendung von Regenwasser gewährleistet und besteht aus zwei Bestandteilen:
2.2.1 Speicherung des Regenwassers aller Dachflächen
Die Gartenhütte bietet mit ca. 12 Quadratmetern Dachfläche das größte Potenzial zur Speicherung von Regenwasser in Tanks. Mit einer durchschnittlichen Niederschlagsmenge von ca. 57 mm pro Monat während der Monate April bis Oktober besteht die Möglichkeit, eine monatliche Menge von mehr als 680 Litern Regenwasser mit dem Dach der Gartenhütte aufzufangen und zu speichern.
Mit einer Beetfläche von ca. 8,0 Quadratmetern für Intensivgemüse in Mischkulturanbau entsteht ein Wasserbedarf zur Gemüsebewässerung von ca. 15 Litern pro m2 & Monat im Zeitraum Juni – August, also ca. 120 Liter gesamt pro Monat (Wasserbedarfsberechnung nach „Regrarians Handbook“ und Daten des deutschen Wetterdienstes für das Jahr 2023).
Hinzu kommt ein geschätzter Wasserbedarf für die Außenküche von ca. 50 Litern pro Aufenthaltstag mit der Familie bei ca. 4 Aufenthaltstagen pro Monat. Somit entsteht ein weiterer Wasserbedarf von ca. 200 Litern pro Monat.
=> Zur Überbrückung einer ca. 6 Wochen andauernden Trockenheitsperiode (wie z.B. vorgekommen im Sommer 2023) sollte daher die Wasserspeicherkapazität zur Bewässerung des Intensivgemüse und zur Nutzung der Außenküche bei mindestens 500 Litern liegen. Mit Installation eines IBC-Containers mit einem Fassungsvermögen von 1.000 Litern könnten somit vor allem in den ersten 2-3 Jahren andere junge Pflanzen in Trockenperioden bewässert werden.
Auch das kleine Dach des Schuppens und der Komposttoilette werden zum Auffangen von Regenwasser ausgestattet und mit einem kleineren Wassertank in unmittelbarer Nähe ausgestattet, welches dann zur Bewässerung genutzt werden kann.
2.2.2 Verlangsamen, Verteilen und Versickern des Regenwassers
Eine weitere Möglichkeit zur Nutzung der kostbaren Ressource Wasser ist es, jegliches auf das Grundstück gelangende Regenwasser zu verlangsamen, optimal zu verteilen und versickern zu lassen, um es anschließend im Boden zu speichern.
Um dies zu gewährleisten, sind 5 Regenrückhaltegräben („Swales“) auf dem Grundstück vorgesehen. Diese laufen exakt entlang der Höhenlinien und verhindern so schnell abfließendes Oberflächenwasser und damit die weitere Erosion des Oberbodens.
Zur Speicherung der gesamten Wassermenge eines heftigen Starkregen-Niederschlagsereignisses von 40 l/m2 pro Stunde (Quelle: Hochwasser Management Baden-Württemberg) ergibt sich ein Abstand der einzelnen Swales von 8,8m. Der aufgrund der örtlichen Gegebenheiten (vorhandene Bäume, Grundstücksabmessungen) wurde der Abstand der Swales auf durchschnittlich 10m erhöht.
Aufgrund der relativ wasserundurchlässigen Lehmschicht ist es sehr wichtig, die Sohle der Swales so zu gestalten, dass Wasser gut versickern kann. Hierzu darf der Boden im Swale keinesfalls verdichtet werden. Außerdem ist eine Aussaat tiefwurzelnder Pflanzen vorgesehen, so dass der vorhandene Boden tiefgründig gelockert und somit die Versickerung des Regenwassers begünstigt wird.
Der komplette Aushub der Swales wird talseitig zum Aufschütten eines kleinen Erdwalls genutzt. Dieser wird dann verdichtet und gleichzeitig großteils als Laufweg genutzt. Durch abwechselnde Überbrückung auf der Ost- und der Westseite von einem Wall zum nächsten entsteht ein schlangenlinienförmiger Weg. Auch bisher wurde beim „Besteigen“ des Hangs zum Beispiel mit einer Schubkarre ein solcher Aufstieg gewählt, um die steile Falllinie zu vermeiden.
2.3 Kompostbereich
Etwas unterhalb der Terrasse befindet sich im Schatten der hohen Bäume des Nachbargrundstückes der Kompostbereich. Neben einer Kompost-Toilette enthält dieser Bereich einen 3-Kammer-Kompost, um 100% des auf dem Grundstück anfallenden organischen Materials mitels Kompostierung in ein Nährstoffkreislaufsystem zu überführen. Eine Kammer ist zur Deponierung aktuell anfallenden Materials, eine zweite Kammer beinhaltet Material, welches sich aktuell im Kompostierungsprozess befindet und die dritte Kammer enthält fertigen Kompost zur Verwendung beim Gärtnern.
2.4 Waldgarten
Zusätzlich zu den Bestandsbäumen (Zwetschgen, Kirschen, Apfel und Walnuss) sind im Design sechs weitere Obstbäume vorgesehen:
Es wurden zwei verschiedene Birnensorten gewählt, um einerseits eine gegenseitige Befruchtung der Bäume zu gewährleisten, und andererseits zeitlich versetzt ernten zu können.
Die beiden Maulbeerbäume wurden als Nachbarn des großen Walnussbaums angeordnet, um so den wachstumshemmende Stoff Juglon, der vom Walnussbaum abgegeben wird, zu neutralisieren. Maulbeerbäume bieten außerdem neben den leckeren Früchten auch die Möglichkeit, die jungen und sehr nahrhaften Blätter zu ernten und roh als Baumblattsalate zu verarbeiten.
Der Paw Paw Baum, auch Indianerbanane genannt, wurde zwischen mehrere Gehölze platziert, um in den ersten Jahren geschützt anwachsen zu können. Nach einigen Jahren kann dann die südlich davon platzierte essbare Ölweide zurückgeschnitten werden, so dass mehr Licht zum Paw Paw dringt und er damit in die volle Ertragsphase starten kann.
Alle Bäume sind dabei als mehrschichtige, essbare Ökosysteme geplant (hier gehts zu meinem Blogartikel zur Anpflanzung eines Waldgartens). Durch Nachahmung eines Waldrand-Lebensraums wird dabei eine möglichst große Vielfalt von überwiegend essbaren Pflanzen mit unterschiedlichen Wuchshöhen und damit optimaler Nutzung des dreidimensionalen Raumes etabliert. Die Pflanzgemeinschaften sind so ausgewählt, dass sie sich zudem gegenseitig hinsichtlich Nährstofflieferung, Bodenbedeckung, Schädlingsabwehr und Durchwurzeln des Erdreichs gegenseitig unterstützen. Im Design vorgesehen sind dabei bisher lediglich schnellwachsende Großsträucher wie Holunder, hier als Sichtschutz und essbare Ölweide als Stickstofflieferant. Die weitere Umpflanzung soll in einem späteren Stadium detailliert geplant und ausgeführt werden.
2.5 Wildobsthecke
Eine ca. 50 Meter lange Wildobsthecke bildet einen Sichtschutz an der langen Nord-Ostseite des Grundstückes. Dafür werden Kornellkirsche, Weisdorn, Korallen-Ölweide, Aroniabeere, Hundsrose, Felsenbirne, Haselnuss, Mispel, essbare Eberesche, Schlehe, Holunder, Berberitze und viele weitere vorwiegend heimische Arten verwendet.
Die Früchte der meisten der verwendeten Sträucher sind für Menschen essbar und stellen auch für Vögel eine ergiebige Nahrungsquelle und einen wichtigen Rückzugsort und Lebensraum dar.
Im oberen Nordwestbereich kommen ebenfalls heimische Wildobst-Sträucher zum Einsatz. Hier allerdings mit der zusätzlichen Funktion als Windschutz.
2.6 Wildnisbereich
Die südwestliche Ecke stellt den schattigsten Teil des Grundstückes dar. Hier soll durch dichte Bepflanzung mit heimischen Gehölzen ein weitestgehend unberührter Wildnisbereich entstehen. Die Kombination von Schatten, mehr Feuchtigkeit durch flacheres Gelände und dichten Bewuchs macht diesen Bereich optimal für eine Pilzzucht mit beimpften Holzstämmen geeignet.
3. Begleitung der Umsetzung
Der erste Schritt zur Umsetzung eines Permakultur Designs in die Praxis ist das Aufmaß der Planung im Gelände vor Ort. Diese Tätigkeit ist besonders wichtig, wenn eine Geländemodellierung anhand der örtlich gegebenen Höhenlinien erfolgen soll. In diesem Permakultur Projektbeispiel wurde das Aufmaß daher in einer gemeinsamen Aktion mit dem Kunden durchgeführt.
Zunächst wurde die Terrasse vermessen und abgesteckt. Dann wurden mit Hilfe eines einfachen „A-Frames“ – einer zweibeinigen Rahmenkonstruktion mit Wasserwaage – die Lage der Swales direkt entlang einer Höhenlinie bestimmt. Hierzu wurden einfache Holzplöcke mit Stofffähnchen im Abstand von zwei Metern eingeschlagen.
Schließlich wurde die Kontur eines Swales anhand eines kurzen Abschnitts per Hand ausgegraben und geformt. Dieses Beispiel soll nun als Anhaltspunkt für die Modellierung der kompletten Rückhaltegräben mit einem Minibagger dienen, die aktuell im Oktober 2024 geplant ist. Erst nach dieser Modellierung ist die Pflanzung der weiteren Gehölze sinnvoll.
4. Fazit
Das steile Gelände und die „Off the grid“ Situation ohne Verfügbarkeit von Wasser und Strom machen dieses Permakultur Projektbeispiel sehr interessant und werden bei der Geländemodellierung und dem Bau der Aufenthaltsterrasse mit Gartenhütte in Angriff genommen werden müssen. Die detaillierte Ausgestaltung der einzelnen Obstbaum-Polykulturen ist aktuell noch offen und stellt eine weiter spannende Aufgabe hin zur Umsetzung dieses Designs dar.
Die Besitzer haben mit diesem Projekt eine einzigartige Möglichkeit, Kenntnisse der Permakultur mittels echter Praxis zu erlangen und so ihren Lebensstil mit Hilfe ihrer neuen Familien-Oase ein großes Stück zukunftsfähiger zu gestalten.